oder warum Sie es leicht haben dürfen
„Ich muss an meiner Selbstliebe arbeiten.“ – diesen Spruch höre ich beinahe täglich von meinen Klientinnen und Klienten – und dann nehmen sie ihn als Ausrede, egoistisch zu agieren, sich endlich einmal etwas zu gönnen, sich mental zu prügeln, oder was gerade passt. Gepaart mit „Ich muss auf mich schauen.“,ist das der perfekte Satz zum Unglücklichsein. Darüber hinaus lösen diese Aufträge bei vielen Menschen echten Stress aus und führen zu recht wenig guten Ergebnissen, außer dazu, dass die Menschen sich schlecht fühlen, da sie sich in den Augen der Wissenden und Be-Ratenden „zu wenig“ lieben.
Ehrlich gesagt, kann ich mit diesem Wort wenig anfangen. „Selbstliebe“ löst bei mir wenig positive Emotion aus (auch wenig negative – um ehrlich zu sein – eher gar keine Emotionen. Ich glaube, das Wort ist bei mir als Kunstvokabel abgespeichert. So wie „Marketing“ oder „Manager“ – wird für alles miss- und gebraucht, nur nicht mehr wofür es gedacht war.) - ausgelöst werden am ehesten Fragezeichen im Kopf:
Wie funktioniert denn diese therapeutisch induzierte Selbstliebe? Vor allem, wie kann ich lieben in Kombination mit einem „MUSS“? Wie kann ich denn messen, ob ich mich schon genug liebe? Wie kann der andere das messen, oder erkennen, dass ich es nicht mache, wo ich doch als mich zu wenig selbst Liebende diagnostiziert wurde?
Bei vielen meiner Klienten funktioniert dieser Arbeitsauftrag übrigens auch nicht. Im Laufe der Zeit habe ich aber Wege gefunden, weiterzukommen.
Ich lade Sie zu einem kleinen Selbsttest ein:
Setzen Sie sich bequem hin, stellen Sie beide Füße auf den Boden, atmen sie einige Male entspannt ein und aus und nehmen Sie Ihren Körper wahr. Wo zwickt es, wo spannt es, wo juckt oder kratzt es?
Nun sprechen Sie einmal das Wort „Selbstliebe“ aus und achten Sie darauf, was sich in Ihrer Körperwahrnehmung verändert. Welche Gedanken und Erinnerungen kommen hoch? Wer fällt Ihnen als erste oder erster ein, und und und …
Was auch immer Ihnen eingefallen ist, oder nicht, ist in Ordnung.
Nun sagen Sie den Satz: „Ich bin mir Freund.“ „Ich bin mir Freundin.“
Welche Emotionen und Erinnerungen kommen nun hoch?
Bei den meisten Menschen wird es nun schon konkreter. Sich Freund sein ist mit weniger Glaubenssätzen und Selbstverprügelungspotential verbunden, als Selbstliebe.
Gerne bearbeite ich mit Menschen diesen Satz. Wir alle wissen, was ein Freund bedeutet. Uns ist klar, wie wir als uns als Freundin verhalten, was wir von einem Freund erwarten.
Diesen Anspruch dürfen wir dann auch an uns stellen. So können wir ganz klar und jederzeit überprüfen, ob wir uns von einem Freund das gefallen lassen würden, wie wir mit uns umgehen. Einem Freund können wir auch alles sagen – wir können offen sein. Ein Freund ist bei uns in dunklen Stunden und auch in der Freude – ein Freund steht uns bei und feiert mit uns. Einen Freund haben wir gerne bei uns – darum seien Sie sich Freundin, seien Sie sich Freund!
Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen viele freundschaftliche Begegnungen mit sich selbst
Ihre Anita Molzbichler